Die Kunst einer guten Nachbarschaft

Regional handeln bedeutet hier immer zugleich auch international handeln

„Kunst öffnet Grenzen“ heißt es seit 2006. Damals rückte der Bodenseeraum noch ein Stück näher zusammen: Am 16. August wurde der Grenzzaun im Gebiet Klein Venedig zwischen Konstanz und Kreuzlingen entfernt.
Der international bekannte Künstler Johannes Dörflinger, unweit der Grenze aufgewachsen, entwarf 22 acht Meter hohe Skulpturen, die als Raumkunst seit 2007 den ehemaligen Grenzverlauf markieren. Kunst hat Grenzen geöffnet und hält diese bis heute offen.
„Die Kunstgrenze war nur zum jetzigen Zeitpunkt möglich“, meinte Dörflinger bei ihrer Einweihung. „Alles hat gepasst: Der besonders gute Draht der beiden Bürgermeister zueinander, die Annäherung der Schweiz an Europa, das Denken in Symbolen, das heute viel ausgeprägter ist.“ Und in der heutigen Zeit? Er würde die Kunstgrenze heute genauso wiederbauen, betont der Künstler.
Baum, Vogel, Berg und Tarot sind wiederkehrende Themen im Schaffen des Künstlers. Auch das Landschaftskunstwerk der Kunstgrenze beschäftigt sich mit Motiven des Tarot. "Meine Auseinandersetzung mit Tarot hat mit Esoterik und Wahrsagerei überhaupt nichts zu tun. Grundsätzlich ging es mir bei meiner Motivwahl darum, die Öffnung von Begrenztheit darzustellen und diese in spielerischen Elementen zu überwinden", betonte Dörflinger dabei. Vielmehr sei es ihm also um das Tarot in seiner ursprünglichen Form als einem Träger alter Weisheiten und menschlicher Sehnsüchte gegangen. Macht man sich zu diesem Ort auf, schlendert zwischen den Skulpturen hindurch - einen Fuß auf deutschem, den anderen auf Schweizer Boden - so werden Denkanstöße gegeben, man wird zum Assoziieren eingeladen. Man muss nur bereit sein, sich darauf einzulassen. Das Werk lebt so im Auge jedes Einzelnen. Anders. 
Diese Offenheit in der Betrachtung wird gerade mit der Übergangssituation des Ortes interessant. Hier treffen Nachbarn aufeinander und mit ihnen Einstellungen, Ansichten und Welten. Sie vermengen und vermischen sich und bilden etwas Neues, ganz Eigenes. Konstanz befindet sich mitten im Herzen Europas, liegt aber dennoch an einer EU-Außengrenze. Dadurch entstehen viele Herausforderungen, aber auch mindestens genauso viele Chancen. Und: Aus der Vogelperspektive betrachtet, weiß man eigentlich nicht, wo Konstanz auf der deutschen Seite anfängt und wo Kreuzlingen auf der Schweizer Seite aufhört.
„Grenzenlos denken“ – das ist in der Bodenseeregion nicht nur ein schönes Motto, sondern auch eine Handlungsmaxime im Alltag. Wie dies gelebt wird, zeigen Konstanz und Kreuzlingen. Die beiden Grenzstädte ziehen seit Langem im Umweltschutz an einem Strang, beziehen ihre Gasversorgung aus denselben Leitungen und unterstützen sich gegenseitig bei der Wasserversorgung. Beide laden zu gemeinsamen Veranstaltungen ein, wie zum Beispiel zum grenzüberschreitenden Kinderfest oder der Gewerbeausstellung GEWA. Im politischen Bereich begegnen sich die beiden Städte in der Grenzlandkonferenz. Mit ihr wurde die einzige institutionalisierte Zusammenarbeit zwischen Schweizer und deutschen Gemeinden entlang der Grenze etabliert.
Doch die Kunstgrenze überschreitet auch selbst Grenzen. 2012 reisten Abbildungen der 22 Edelstahlskulpturen der Kunstgrenze Konstanz/Kreuzlingen nach Straßburg in den Europarat und fanden dort großen Anklang.
„Die Kunstgrenze war nur zum jetzigen Zeitpunkt möglich“, meinte Dörflinger bei ihrer Einweihung. „Alles hat gepasst: Der besonders gute Draht der beiden Bürgermeister zueinander, die Annäherung der Schweiz an Europa, das Denken in Symbolen, das heute viel ausgeprägter ist.“ Und in der heutigen Zeit? Er würde die Kunstgrenze heute genauso wiederbauen, betont der Künstler.

Die Kunst einer guten Nachbarschaft
Johannes Dörflinger

Steckbrief

Name: Johannes Dörflinger

Alter: 72

Beruf: Maler, Graphiker und Objektkünstler

Am Bodensee seit: 72 Jahre

Fakten

  • Bereits 1986 erhielt Dörflinger den Konstanzer Kunstpreis
  • Die „Kunstgrenze“ ist eine Wortneuschöpfung
  • Einweihung der Kunstgrenze war im Jahr 2007
  • 22 Skulpturen markieren heute den alten Grenzzaun Konstanz/Kreuzlingen
  • Die Motive sind aus dem Tarot entnommen
  • Symbolisiert werden die Bedingungen der menschlichen Existenz
  • Die gute Zusammenarbeit über die deutsch-Schweizer Grenze hinweg wird hier deutlich